Analyse des Tarifabschlusses in der MuE-Industrie

Wie hoch ist der Tarifabschluss tatsächlich? - Ein Artikel aus dem WSI

15.02.2018 | Der folgende Text ist ein Auszug aus dem Artikel, der Kollege Thorsten Schulten veröffentlicht hat. Er soll einigen Beiträgen, die der IG Metall gelegentlich vorwerfen, dass ihr jüngster Tarifabschluss kaum mehr als eine Nullrunde darstellen würde, eine sachliche Berechnungsgrundlage entgegenstellen. Um aber die Bedeutung einer vereinbarten Lohnerhöhung vor dem Hintergrund der ökonomischen Rahmendaten bewerten zu können, muss sie auf die jeweiligen Kalenderjahre umgerechnet werden. Es ist ein Auszug einer Analyse von Thorsten Schulten, WSI.

Am 6. Februar 2018 haben sich die Tarifvertragsparteien in der Metall- und Elektroindustrie auf ein umfangreiches Tarifpaket verständigt, das verschiedene Entgelt- und Arbeitszeitkomponenten miteinander kombiniert. Dazu gehören unter anderem:

  • eine Pauschalzahlung von 100 Euro für die Monate Januar bis März 2018,
  • eine Erhöhung der Tarifentgelte ab dem 1. April 2018 um 4,3%,
  • die Einführung eines tariflichen Zusatzgeldes von 27,5% eines Monatsentgeltes sowie eines tarifdynamischen Festbetrages von 400 Euro. Beides wird jährlich und erstmals im Juli 2019 gezahlt,
  • ein individueller Anspruch auf befristete Reduzierung der Arbeitszeit auf bis zu 28 Stunden pro Woche inklusive Rückkehrrecht auf eine Vollzeitstelle von 35 Stunden,
  • die Möglichkeit für Beschäftigte, die Kinder erziehen, Angehörige pflegen oder besonders belastete Arbeitszeiten haben, anstelle des tariflichen Zusatzentgeltes acht zusätzliche freie Tage zu wählen,
  • eine Ausdehnung der Möglichkeit für die Unternehmen, die Arbeitszeiten für einen bestimmten Beschäftigtenanteil auf bis zu 40 Stunden zu verlängern.

Die Komplexität des Tarifabschlusses bringt es mit sich, dass die öffentliche Kommentierung des Abschlusses mitunter recht unterschiedlich ausfällt. Dies gilt insbesondere für die Frage, wie die vereinbarten Entgelterhöhungen zu bewerten sind. So vertreten beispielsweise Heiner Flassbeck und Michael Paetz die These, dass die im Metallabschluss vereinbarten Entgeltkomponenten „im besten Fall gut 3 Prozent pro Jahr“ ausmachen. In anderen Online-Portalen ist zu lesen, dass die IG Metall nach Abzug der Inflationsrate „kaum mehr als eine Nullrunde gelungen sei“.

Berechnung der kalenderjährlichen Tariferhöhung

Im Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung wird regelmäßig die auf das Kalenderjahr bezogene Erhöhung der Tarifentgelte in Deutschland berechnet. Hierzu werden jedes Jahr mehr als 1.500 Tarifverträge ausgewertet. Für jeden einzelnen Tarifvertrag wird berechnet, wie sich das Tarifentgelt in einem Jahr gegenüber dem Vorjahr verändert hat. Die so gewonnenen Daten über die kalenderjährliche Erhöhung der Tarifentgelte werden dann – gewichtet mit den jeweiligen Beschäftigtenzahlen – zu Branchen- und gesamtwirtschaftlichen Daten aggregiert und können danach mit anderen jahresbezogenen Daten wie z.B. der Preis- und Produktivitätsentwicklung verglichen werden.

Thorsten Schulten nimmt in seinem Berechnungsbeispiel die Eckgeldgruppe aus dem Tarifvertrag Baden-Württemberg und wirklich nur das Grundentgelt zugrunde, da das individuelle Monatsentgelt davon abweichen kann. Das ist nur eine Beispielrechnung! Dieses Beispiel kannst du sehen, wenn du dem Link unter dem Artikel folgst.

 

Hier die Zusammenfassung der Analyse von Thorsten Schulten:

Mit der Einmalzahlung von 100 Euro im März 2018 und der Erhöhung der Entgelte um 4,3% ab April 2018, entspricht dies im Durchschnitt der Eckentgeltgruppe einem jahresbezogenen Zuwachs von 4,0%. Im Jahr 2019 kommt es im Juli zur erstmaligen Zahlung des tarifvertraglichen Zusatzgeldes von 27,5% des Monatsentgeltes. Hinzu kommt der vereinbarte Festbetrag von 400 Euro. Das entspricht einer jährlichen Zuwachsrate von 4,1% bezogen auf die Eckentgeltgruppe aus der Beispielrechnung.

Da der aktuelle Tarifabschluss in der Metallindustrie sowohl eine Einmalzahlung als auch einen tarifdynamischen Festgeldbetrag von 400 Euro pro Jahr enthält, ist damit eine soziale Komponente verbunden, die zu einer überdurchschnittlichen Erhöhung in den unteren Entgeltgruppen führt. So liegt die kalenderjährliche Tariferhöhung hier nochmal einige Zehntel Prozentpunkte höher. In den höheren Entgeltgruppen liegt sie hingegen knapp unterhalb von 4%.

Der Tarifabschluss führt nicht nur zu einem kräftigen Anstieg der Reallöhne, sondern auch zu einem klaren Überschreiten des Verteilungsspielraums und entsprechender Umverteilung zugunsten der Beschäftigten.

 

Zum Autor:

Thorsten Schulten ist der Leiter des WSI-Tarifarchivs des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung und lehrt als Honorarprofessor an der Universität Tübingen.

Den ganzen Artikel mit der Beispielrechnung aus Baden-Württemberg kannst du sehen, wenn du dem Link folgst.

Von: cs

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